Kurzbericht zur Strategiekonferenz am 15. Februar in Bochum

80 Aktive waren zur Strategiekonferenz „Aufbruch in eine gerechte Gesellschaft für alle“ aus dem Rheinland und dem Ruhrgebiet gekommen und trafen sich in einer schönen Arbeitsatmosphäre, um über die Plattform und das weitere Vorgehen der Kampagne zu diskutieren. Die Ergebnisse im Folgenden:

Eingangsreferat von Prof. Dr. Christoph Butterwegge

Christoph Butterwegge beschrieb auf der Basis seines neuen Buches ›Die zerrissene Republik‹ die soziale Spaltung der Gesellschaft. Die wachsende Ungleichheit werde gefördert durch eine neoliberale Politik, die bereits in den siebziger Jahren eingesetzt habe. Der Neoliberalismus habe sich mittlerweile zu einer Art ›Zivilreligion‹ entwickelt und bewirke, dass Ungleichheit selbst innerhalb der nationalen Gesellschaften kaum mehr wahrgenommen werde oder sogar als legitim gelte. Armut werde verharmlost und Reichtum verschleiert. So besäßen die 45 reichsten Familien genau so viel wie die Hälfte der Bevölkerung, aber die Reichen und Hyperreichen zählten sich selbst zum ›Mittelstand‹.

Die Ungleichheit und Armut sei ständig gewachsen, weil

→ in der Sozialpolitik eine sog. ›Leistungsgerechtigkeit‹ die Bedarfsgerechtigkeit und Teilhabegerechtigkeit abgelöst habe,
→ der Arbeitsmarkt mit dem Hartz-Regime massiv dereguliert wurde und einen der größte Niedriglohnsektoren Europas entstehen ließ,
→ die Alterssicherung durch die drastische Absenkung des Rentenniveaus und die Förderung privater Altersvorsorge demontiert wurde,
→ Steuerpolitik nach dem ›Matthäus-Prinzip‹ betrieben würde: ›Wer hat, dem wird gegeben‹. Steuerpolitik wäre an Einkommen und Verbrauch orientiert, Vermögen wäre dagegen schrittweise aus der Besteuerung herausgenommen worden.

© Jochen Vogler / r-mediabase.eu

Christoph Butterwegge plädiert für ein Zurückdrängen des Neoliberalismus, insbesondere in folgenden Bereichen

→ Kommerzialisierung und Privatisierung der öffentlichen Daseinsvorsorge z.B. im Gesundheitswesen müssen rückgängig gemacht werden,
→ der Arbeitsmarkt müsse durch einen wirksamen Mindestlohn, eine Stärkung der Tarifbindung und dem Verbot sachgrundloser Befristungen stabilisiert werden,
→ der Sozialstaat ist auszubauen durch eine solidarische Bürgerversicherung und die sanktionsfreie Absicherung des Existenzminimums,
→ Vermögen und Kapitalerträge müssten massiv besteuert werden.

Stand der Kampagneplanung ›Aufbruch in eine gerechte Gesellschaft für alle‹

Mit dem Aufruf ›Aufbruch in eine gerechte Gesellschaft für alle‹ soll eine Initiative / Kampagne entwickelt werden, die öffentlichkeitswirksam Druck auf die Parteien ausübt, um einen grundlegenden Politikwechsel weg von der neoliberalen Politik zu betreiben.

Die Forderung nach einer solidarischen, gerechten Gesellschaft wird in dem Aufruf anhand konkreter Lebensbereiche wie z.B. bezahlbarem Wohnraum, Beteiligung von allen am wachsenden Wohlstand, sanktionsfreier Existenzsicherung, auskömmlichen Renten, guter Pflege in Kliniken und Altenpflegeheimen, Bürgerversicherung u.a. konkretisiert. Die Kampagne soll bundesweit ausgerichtet werden. Dazu sollen örtliche Bündnisse in NRW entstehen und sich vernetzen. Zusätzlich ist das NRW-Netzwerk dabei, sich mit dem Bundesbündnis ›Reichtum umverteilen – für ein gerechtes Land‹ zu verzahnen. Die Parteien sollen mit konkreten Forderungen nach einer gerechten Gesellschaft für alle und durch lokale, gemeinsam abgestimmte Aktionen in der Öffentlichkeit unter Druck gesetzt werden.

© Jochen Vogler / r-mediabase.eu

Bis dahin und bevor der Aufruf ›Aufbruch in eine gerechte Gesellschaft für alle‹ an die Parteien gerichtet wird, soll er weiter entwickelt und ergänzt werden, weil in der jetzigen Form zentrale politische Themen fehlen.

Ergebnisse bzw. Verabredungen aus den Arbeitsgruppen der Konferenz

In der ›AG Klimagerechtigkeit‹ wurde über den Zusammenhang zwischen Klimazerstörung und sozialer Ungleichheit diskutiert. Gerhard Klaas, Journalist und Klimaaktivist, berichtete dazu über die Situation in Bangladesh – beispielhaft für eines der Länder, die minimal an der Klimaschädigung beteiligt, aber maximal davon betroffen sind. »You change climate, we change country«, die UN zählt schon jetzt 24 Mio. Menschen als Klimaflüchtlinge gegenüber 6 Mio. politischer Flüchtlinge. Länder wie Bangladesh haben deshalb massive Forderungen an die UNO. In der Diskussion wurde deutlich, dass die weltweite kapitalistische Plünderung von Umwelt und Gesellschaft in den Aufruf für eine gerechte Gesellschaft aufgenommen werden muss.

In der ›AG Weiterentwicklung‹ des Aufrufes wurde geklärt, dass es um alle zentralen Bereiche einer gerechten Gesellschaft für alle und Gerechtigkeit in einem umfassenderen Sinne gehen soll.. Der bisherige Aufruf sollte ergänzt werden um die Themen Klima / Natur / Umwelt, Geschlechtergerechtigkeit, Gerechtigkeit gegenüber anderen Ländern, Frieden / Entspannung. Die Beschreibungsform für die ergänzende Texte soll der der vorhandenen Texte im Aufruf entsprechen. Derzeit werden Textvorschläge gesammelt und ausgewertet. Die Ergänzungen des Aufrufs sollen bis Ende Mai / Mitte Juni abgeschlossen werden. In einer Strategiekonferenz II im 2. Halbjahr 2020 wird eine neue Version des Aufrufs als Endversion vorgelegt werden.

In der ›AG Aktionen‹ wurden Ideen für geeignete Aktionen erarbeitet, die jetzt im NRW-Netzwerk aufgegriffen werden, um zeitnah realistische Planungen vorzunehmen.

Aktionsvorschlag: In der EU entsteht jährlich ein Schaden von ca. 1.000 Mrd. Euro durch Steuervermeidung international agierender Unternehmen wie Disney, Google, Amazon oder Apple. Mit den Tricks von Beratungsfirmen wie Ernst & Young oder KPM schleusen sie Gewinne, die in den Staaten entstehen und von jedem Bäcker dort versteuert werden müssen, z.B. als Lizenzgebühren an Muttergesellschaften in Billigsteuerländer. Wer seinen Kaffee bei Starbucks trinkt, kann sicher sein, dass kein Euro des Gewinns in Deutschland versteuert wird. Google hockt in den USA, anders aber Starbucks, die in Deutschland ca. 400 Filialen unterhalten. Hier wird die Steuer vermieden, die für Personal in Kitas oder Krankenhäusern, für Infrastruktur, Sozialwohnungen oder den Ausbau des Schulsystems aufgewendet werden könnte. Mit einer Aktion, die mithilfe von BesucherInnenzählungen in verschiedenen Filialen den Tagesumsatz schätzen lässt, ließe sich dieses Steuerloch verdeutlichen.

Veranstaltungsvorschlag: Mit zwei Antifaschist*innen aus der sächsischen Kleinstadt Plauen soll eine Veranstaltungstournee (Bo, D, MS) geplant werden. In Plauen haben Rechtsextremisten und Faschisten zivilgesellschaftliche Macht übernommen. Es geht darum zu verstehen, wie es dazu kommen konnte, und zu diskutieren, wie diese Kräfte zurückgedrängt werden können.

In der AG Ortsgruppen gab es Verabredungen mit Aktiven aus folgenden Städten, eine Gründung in den nächsten Wochen und Monaten anzustreben: Hilden, Köln und Oberhausen.

© Joachim Beyer

Zusätzlich wird in der nächsten Zeit geklärt, ob das bestehende Sozialbündnis Krefeld, das den Aufruf und die Initiative bzw. Kampagne unterstützt, auch zukünftig im NRW-Netzwerk mitarbeiten wird. Sinnvoll ist es, dass sich alle Ortsgruppen in NRW vernetzen, um gemeinsam Absprachen treffen zu können. Weiterhin gibt es die konkrete Zusage aus Coesfeld, eine entsprechende Ortsgruppe zu gründen und im NRW-Netzwerk vertreten zu sein.